Unsere Langzeitprojekte bieten wir jungen Menschen an, die zwischen 11-15 Jahren alt sind und sich freiwillig zu dem Projekt entscheiden. In der Regel haben sie bereits mehrere Jugendhilfemaßnahmen abgebrochen und bringen unterschiedlichste Zuschreibungen mit. Die Häufigsten dabei sind Störung des Sozialverhaltens, Bindungsstörung und „Gruppenunfähigkeit“. Hinzu kommt oft noch die eine oder andere Auffälligkeit und Besonderheit, beispielsweise Essstörung, oppositionelles Verhalten, Gewalt. Weglaufthematiken. Durch ihre familiäre Situation sind sie meist extrem vorbelastet, sie haben bisher kaum eine stabile, wertschätzende Beziehung erlebt und lassen sich nur schwer auf eine solche ein.

Die Betreuungsdauer hängt grundsätzlich von den individuellen Bedürfnissen und Umständen des jeweiligen jungen Menschen ab. In der Regel dauert ein langfristig angelegtes Reiseprojekt zwischen 6 und 24 Monaten. Dabei kann im Vorfeld ein Projektende noch nicht datiert werden. Die Fachkräfte, die den jungen Menschen begleiten, können nach einigen Wochen eine erste Einschätzung über den möglichen Zeitraum abgeben. Die Betreuungsintensität hängt grundsätzlich von den individuellen Bedürfnissen und Lebensumständen der Kinder und Jugendlichen ab. Diese wird entsprechend der Bedarfslage im Einzelfall im Zuge der Hilfeplanung mit den zuständigen Jugendämtern vereinbart. Denkbar ist eine 1:1 oder eine 2:1 Begleitung.

Oberstes Ziel der Langzeitprojekte ist es, die Hilfe und die Beziehung so zu gestalten, dass sich der junge Mensch auf die Beziehung zur Begleitperson während der Reise einlassen kann. Aufgrund der vielen Veränderungen (z.B. Orts- oder Medienwechsel), die die Reise mit sich bringt, erleben die jungen Menschen ihre Begleitung oft als einzig stabile Größe, die ihnen Halt und Orientierung gibt. Die Beziehung zwischen den Begleiteten und deren Begleiter*innen ist geprägt durch die authentische Erfahrung einer gemeinsamen Reise mitsamt ihren Erlebnissen, dem gemeinsamen Überwinden von schwierigen Situationen und der täglichen Bewältigung des gemeinsamen Alltags. In der erlebnisorientierten Beziehungsarbeit überlassen wir grundsätzlich den Kinder und Jugendlichen die Möglichkeit diese zu gestalten und sich auszuprobieren. Dadurch erhalten sie Kontrolle und die Möglichkeit ihre Beziehung immer wieder neu zu gestalten. Sie können herausfinden, was ihr Verhalten bei ihrem Gegenüber verursacht.

Ganz gezielt wird mit dem Aufforderungscharakter des Reisens in der Natur gearbeitet. Dieser Aufforderungscharakter erfordert zwangsläufig das Erlernen und Erproben neuer Handlungsalternativen und ermöglicht somit das Ablegen von bisherigen, unerwünschten Verhaltensmustern. Neuerlerntes kann sofort angewandt werden, erweitert den persönlichen Handlungsspielraum und wirkt sich deshalb unmittelbar auf die Lernmotivation aus. Die Natur als beständige Begleiterin unserer Projekte nutzen wir oft als verlängerten Arm unserer Pädagogik. Sie zeigt sich verlässlich und konsequent, und vor allem bietet sie viel Raum um sich zu entfalten, entdecken, beruhigen und auszutoben. 


Die Aufnahme eines jungen Menschen ist in der Regel auch Start der Maßnahme. Gestartet wird zunächst immer mit einer mindestens einmonatigen Wanderung, bei der die Ausrüstung auf ein Minimum reduziert ist, ein Clearing stattfindet und die Beziehung zwischen Begleiter*in und jungen Mensch aufgebaut wird. Nach dieser Zeit des Wanderns und Kennenlernens, lässt sich zumeist eine erste Einschätzung darüber gewinnen, wie dem Kind oder Jugendlichen am Besten geholfen werden kann. Aufbauend auf dieser Einschätzung werden mögliche pädagogische Ziele formuliert und der weitere Maßnahmenverlauf (bspw. der Einsatz von Medien, geografische Ziele) flexibel, individuell und unter Einbezug des jungen Menschen geplant. Nach Möglichkeit wird anschließend das Medium (Fahrrad, Kanu, Wandern, Floß, Schlitten, Bollerwagen, Klettern, ...) regelmäßig gewechselt. Kein Tag gleicht dem Anderen - und das ist genau so gewollt. Wir wechseln jeden Tag den Lagerplatz, passen Regeln und Strukturen täglich neu an die jungen Menschen an, führen mit ihnen Aushandlungsgespräche und versuchen unmittelbar auf das Verhalten der Kinder und Jugendlichen zu reagieren. Die Reisenden sehen sich häufig mit ungeplanten Ereignissen konfrontiert, Begegnungen mit anderen Menschen haben Einfluss auf die Reise, kleine Abenteuer wollen bewältigt werden. Der Tagesablauf unterliegt daher einem ständigen Veränderungsprozess, er wird täglich neu ausgerichtet.

Grundsätzlich werden zu Beginn des Reiseprojektes Ziele gemeinsam mit allen am Hilfeprozess Beteiligten erarbeitet. An diesen wird sich während der Durchführung orientiert. Aufgrund der individuellen Ausrichtungen der Reiseprojekte können die Zielsetzungen sehr verschieden ausfallen. Der Erfahrung nach ist es ein wichtiges Ziel, die familiären Beziehungen zu überdenken, neu einzuordnen und zu gestalten. Unser maßnahmenübergreifendes Ziel ist, einem*r jeden Kind oder Jugendlichen ein Leben in Freiheit zu ermöglichen, sodass sie sich
1. als Individuum entfalten und ihr Leben eigenständig gestalten können
2. als Teil der Gesellschaft sehen, an ihr teilhaben und Verantwortung übernehmen.
Wir unterstützen die Kinder und Jugendlichen vorrangig in ihren Entwicklungsaufgaben nach Franz Resch:
• Selbstwert
• Selbstbehauptung
• Sexuelle Identität
• Identifikation
• Intimität
• Identität
• Individualität